Vor einigen Tagen stellte ich eine Merkwürdigkeit an mir fest. Ich war nicht mehr melancholisch in das Verliebtsein verliebt. Ich befasste mich seit geraumer Zeit eher mit technischen Sachen, wie Diplomarbeiten, ersten eigenen Autos und Sportlerinnen.
Ich möchte behaupten, dass ich bereits alles ausprobiert hatte, aus diesem furchtbar friedlichen Zustand wieder heraus zu kommen.

Als erstes habe ich mich mit visuellen Eindrücken bombardiert. Mit Stolz und Vorurteil sah ich ein, dass Liebe weder Ferien noch 50 erste Dates kennt. Doch anstatt in Bächen meiner heimlichen Liebe nach fließenden Tränen freien Lauf zu lassen, hatte ich kurzerhand aus den bereit gelegten Taschentüchern eine komplette Fliegerstaffel gebastelt. Besonders stolz war ich darauf, dass der kleine große Bomber kleine Taschentuchfallschirmspringer abwerfen konnte. Aber zurück zu meinen Therapieversuchen.

Das nächste, was mir in den Sinn kam, war die Bierdusche. Ich setzte mich also unter die heiße Dusche, öffnete mir ein kaltes Bier und drehte die Musik auf Rechtsanschlag (hat nichts mit Naziterror zu tun!). A Fine Frenzy, ganz laut. Es half nicht. Selbst das Hinzuhecheln einer auf Vokalen basierenden Zweitstimme (den Text konnte ich noch nie) brachte keinen einzigen wehmütigen Gedanken in mir hervor. Stattdessen stellte ich fest, dass die Dusche an der rechten Flügeltür ein Leck hatte. Es war dann auch sehr schnell repariert.

Ich machte mich auf. Ich zog mich schick an und verlieh meinem Oberkörper einen nie mehr weichen wollenden Duft. Ich hatte mein Lieblingsparfüm so intensiv über mich gegossen, dass ich selbst auf den Lippen etwas davon schmecken konnte. Ekelhaft. Wie immer, eigentlich. Aber das war mir egal, ich wollte so schnell wie möglich wieder in der eigene Welten schaffenden Melancholie einsamer Kleinstadtbewohner ankommen. Ich war geduscht, geimpft und dufte wie Karl Feldlager. Ich betrat die lauwarme Sommernacht. Alles war wie immer. Die Luft war leicht schwül. Die Häuser beleuchteten sich gegenseitig mit einem warmen gelben Licht. Ich steckte die Kopfhörer in meine Ohren. Der Player sollte nun mit all seiner Batteriekraft die Adrenalinproduktion in meinem Körper anregen, als mir auffiel, dass Apple seine Produkte in China anfertigen lässt. Dann entdeckte ich noch weitere tolle Effekte, z. B. dass das Logo meines MP3-Gerätes bei variierendem Lichteinfallswinkel die Farbe wechselt.

Damit war ich wieder am Nullpunkt angekommen. Ich wollte doch nicht etwa fröhlich und zufrieden sein? Meine Fähigkeit schwärmerisch zu sein, verschwand wie die schwarzen Augenringe eines Emos verwischen, der ernste Tränen weint. War das vielleicht meine Aufgabe - ehrlich fröhlich zu sein, wenn’s sich nicht vermeiden lässt?

Ich ging nach Hause und dachte darüber nach, als ich auf der anderen Straßenseite ein Mädchen schlendern sah. Ihr Kopf war gesenkt. Sie selbst war in Gedanken versunken, der Musik erlegen. Ich fragte mich ein letztes Mal: „Was sie wohl gerade denkt…?“ Ach, ja!